Enge und Weite-ein Abend mit Georg Büchner

Zur Inszenierung der Stücke „Woyzeck“ und „Leonce und Lena“ von Georg Büchner durch die Theatergruppe der Oberstufe des Rupert-Ness-Gymnasiums

Die spinnen, die Theaterleute! Das passt doch niemals zusammen: Lena, Woyzeck und Leonce? Und Woyzeck auch noch aufgeteilt in Woyzeck, schüchtern, und Woyzeck im Wahn? Regisseur im Wahn?

Mitnichten: So konträr sich die beiden nach einer Idee von Rudi Wedekind zusammengestellten Stücke anhören, so viele Parallelen haben sie. Im Programmheft ist die Rede vom „selben Thema, nur mit umgedrehten Vorzeichen“: „Woyzeck“ handelt von der finanziellen Not und den gesellschaftlichen Zwängen, in „Leonce und Lena“ führen die Titelfiguren ein finanziell sorgloses Leben und wissen damit nicht umzugehen. Woyzeck wird vom Stress in den Wahn getrieben, Leonce weiß vor Langeweile mit seinem Leben nichts anzufangen und wähnt sich in Unfreiheit.

Umgesetzt wird die Collage der beiden Stücke vom Regisseur Heribert Erbertseder sowie talentierten und mutigen Schauspielern ohne Angst vor einer teils berührenden, teils kinskiesken Woyzeck-Darstellung (Emma Weltermann und Simon Liebrich als Woyzeck), einem ausdrucksvollen Bühnentod (Lisa Piatke als Marie), Bekleidungsszenen auf offener Bühne (Emelie Holzheu als Königin Petra), philosophischen Betrachtungen zur Langeweile und zur Liebe (Silas Strobel und Lorena Negele als Leonce und Lena) und einem aussagekräftigen Schlusssatz zur Bedeutung harter Arbeit: „Und ich werde Staatsminister und es wird ein Dekret erlassen, dass, wer sich krank arbeitet, kriminalistisch strafbar ist“ (Jule Musch als Valerio).

Bis in die Nebenrollen hinein kann die Besetzung überzeugen: Der von den Woyzeck-Unterdrückern Hauptmann, Doktor und Tambourmajor erzeugte Stress wird ebenso spürbar wie der am Hofe des Königreichs Popo herrschende Ennui. Um diesen ins Bild zu setzen und die beiden Stücke trotz allem auseinanderzuhalten, kommen die Kulissen zum Einsatz: Während Leonce und sein Hofstaat sich in beneidenswerter Lässigkeit auf einem mobilen Gerüst fläzen, das die Verspieltheit der höheren Stände und ihren Hang zur Zeitverschwendung symbolisiert, werden die Zwänge, denen Woyzeck unterliegt, durch den Einsatz mobiler Rahmen ins Bild gesetzt, die seinen Lebens-Raum immer enger werden lassen.

„Was die Leute nicht alles aus Langeweile treiben! Sie studieren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile, sie verlieben, verheiraten und vermehren sich aus Langeweile und sterben endlich an der Langeweile“: Die Langeweile, die Leonce als zentrale Triebkraft des menschlichen Lebens benennt, kam bei den Zuschauern dieser Inszenierung jedenfalls nicht auf, was der lang anhaltende Applaus belegte.

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